Welche Folgen die neue Steurregelung für Derivate ab 2021 hat und was das für Privatanleger ganz konkret bedeutet
Letzte Woche erhielten wir einen panischen Anruf von jemandem, der privat mir Derivaten handelt. Schon seit vielen Jahren verdiene er sein Geld mit Futures und Optionen, erzählte er meinem Kollegen. Aber jetzt wisse er nicht mehr, was er bald tun soll, denn der Bundesrat hat im Dezember 2019 für ein Gesetz gestimmt, dass die Verluste, die Privatanleger versteuern können, maximal 10.000 € betragen dürfen.
Das ist eine absolute Katastrophe. Ich weiß doch nicht, wie ich sonst mein Geld verdienen soll. Wenn ich nur 10.000 € an Verlusten versteuern darf, zahle ich ja mehr Steuern als ich insgesamt Gewinn mache. Ich habe das ganze Jahr über gedacht, dass das Gesetz vor Gericht nicht durchkommt, aber bis jetzt ist noch nichts passiert und das Ende des Steuerjahres rückt erschreckend schnell näher. Was kann ich denn tun? (Herr Schulz, Name geändert)
Natürlich mussten wir uns erst einmal in die Materie einarbeiten und schnell feststellen, dass Herr Schulz im Allgemeinen Recht hat. Im Gegensatz zu früher, dürfen ab 2021 nur noch 10.000 € an Verlusten versteuert werden. Das bedeutet, dass jemand, der 120.000 € Gewinn macht und 80.000 € Verlust, tatsächlich noch 27.500 € Steuern auf seinen Gewinn zahlen muss. Im Vergleich: Vorher waren es 10.000 €. Diese Nachricht hat natürlich eine Menge Menschen wie Herrn Schulz komplett schockiert, da sie sich jetzt plötzlich ihrer Einkommensgrundlage beraubt fühlen.
Warum eigentlich die Grenze von 10.000 €
10.000 € wurden bei der Schaffung des Gesetzes festgelegt, da das laut den Gesetzgebern der Rahmen ist, in dem sich Privatanleger befinden. Leider gibt es viele Privatanleger, die mit viel größeren Summen arbeiten, um am Ende des Jahres auch genügend Profit einzufahren. Laut einer Aussage des Abgeordneten Christoph de Vries von der CDU hatte die SPD sogar vor, Totalverluste steuerlich überhaupt nicht anerkennen zu lassen: „Mit der Regelung sind wir zwar auch nicht zufrieden; sie ist dank der Hartnäckigkeit der Unionsfraktion aber besser als das Vorhaben des Bundesfinanzministers, die steuerliche Anerkennung von Totalverlusten vollständig auszuhebeln“ (Christoph de Vries).
Das schützt aber nun wirklich nur Kleinanleger, alle anderen sind von dem neuen Gesetz fast in den gleichen Ausmaßen betroffen, als würde es fast gar keine steuerliche Anerkennung von Verlusten geben.
Falls sie die steuerlichen Auswirkungen rein aus diesem Text nicht komplett nachvollziehen können, lege ich Ihnen unsere ausführliche Informationsseite zum Thema „Neue Steuer auf Derivate“ ans Herz, in dem leicht nachvollziehbare Rechenbeispiele zu finden sind: https://www.fundresearch.de/kolumne/die-fatalen-auswirkungen-der-neuen-derivate-steuer.php
Was bleibt Privatanlegern in Deutschland jetzt übrig? Müssen sie auswandern?
Unter dem Strich gibt es momentan zwei simple Lösungen, die für die meisten Privatanleger wahrscheinlich keine Option sind. Zum einen empfiehlt es sich, das Handeln erst einmal bleiben zu lassen, bis das Gesetz geändert oder abgeschafft wird. Nicht jeder hat aber einfach eine alternative Verdienstmöglichkeit zur Hand. Zum anderen ist der Umzug in ein anderes Land ein einfacher Weg, da in vielen anderen Ländern die Besteuerung für Privatanleger viel günstiger aussieht. Beide dieser Möglichkeiten stellen jedoch für viele keine Lösung da. Dazu noch ein Zitat aus unserem Gespräch mit Herr Schulz:
Ich kann nicht einfach mit dem Traden aufhören. In meinem ursprünglichen Beruf wird momentan kein Personal gesucht und selbst wenn, würde mich doch niemand mehr anstellen, in meinem Alter. Und umziehen ist überhaupt keine Lösung. Wir haben uns doch aus gutem Grund hier in Deutschland ein eigenes Haus gekauft. Wir haben Freunde hier, meine Kinder gehen noch auf die Schule. Das können wir doch nicht einfach zurücklassen. Es muss doch eine Möglichkeit geben, wie ich weiter mit Derivaten handeln kann, ohne solch immense Steuern zu bezahlen.
Seine Reaktion war natürlich völlig verständlich und wenn man sich umhört, merkt man, dass es vielen Privatanlegern so geht. Nicht jeder ist ungebunden und kann einfach in ein anderes Land umziehen. Viele sind hier in Deutschland fest verwurzelt. Also haben wir uns die Mühe gemacht, nach Alternativen für Herr Schulz zu suchen. Und es gibt tatsächlich einige Möglichkeiten, wie man weiter in Deutschland handeln kann, ohne dafür dem neuen Steuergesetz unterliegen zu müssen. Leider sind alle dieser Optionen nicht nur mit Vorteilen, sondern auch Nachteilen verbunden und die Entscheidung sollte nicht leichtfertig getroffen werden. Auf unserer Info-Seite zu dem Thema sind alle Möglichkeiten, von der Gründung eines Offshore-Fonds bis hin zur Personengesellschaft in Schottland aufgelistet und mit Vor- und Nachteilen versehen.
Wie sieht es denn für die Zukunft aus? Wird das Gesetz so bleiben?
Diese Frage ist momentan natürlich nicht mit Sicherheit zu beantworten. Viele Anleger sind jedoch davon überzeugt, dass das neue Gesetz vor Gericht keinen Bestand haben wird. Dazu Daniel Kühn, Chefredakteur bei godmode-trader.de:
Noch heute frage ich mich, was genau die Initiatoren der neuen Steuergesetzgebung in Bezug auf Termingeschäfte geritten hat. Und für mich steht auch zu 99 % fest, dass diese Regelungen gerichtlich gekippt werden. Aber das kann einige Jahre dauern. Bis dahin muss man mit der neuen Lage leben lernen.
Und diese Wartezeit ist für viele das Problem, da man nicht einfach einige Jahre auf das Einkommen verzichten kann. Wer die Möglichkeit hat, sollte sich nun erst einmal zurücklegen und abwarten und darauf achten, dass die Verluste nicht über 10.000 € steigen. Alle anderen sind mit einer der oben genannten Ausweichmöglichkeiten besser beraten.
Ich handele nur mit Optionsscheinen und Zertifikaten. Bin ich auch betroffen?
Nein! Glücklicherweise nicht. Das Bundesfinanzministerium hat entschieden, dass diese nicht zu den Termingeschäften zählen und damit auch nicht unter die neue Steuerregelung fallen. Trotzdem muss man nun darauf aufpassen, dass man keine Totalverluste einfährt, denn dann greift die Regel wieder. Also Optionsscheine ohne inneren Wert schon vor dem Verfall verkaufen. Zudem sollte man die Steuererklärung nun unbedingt jedes Jahr machen, um einer großen Aufsummierung von zu versteuernden Gewinnen zu verhindern.